Neuseeland: Paradies am anderen Ende der Welt - Teil 1 Nordinsel 2011

Als ich Kind war, fragte ich – wie viele Sprösslinge auch – meinem Vater ein Loch in den Bauch. So wollte ich unter anderem wissen, wo man hinkäme, wenn wir hier, wo wir gerade stehen, ein tiefes, tiefes Loch in die Erde bohren würden? Er überlegte kurz, ging darauf mit mir zu unserem Globus und zeigte auf Neuseeland. Unvorstellbar für mich – zwei Inseln genau am anderen Ende der Welt…
So reifte in mir der Wunsch, dieses Traumziel einmal kennen zu lernen. Jahrzehnte später sollte dieser Wunsch in Erfüllung gehen. Wir nahmen zwar nicht den schwierigen Weg durch das Innere der Erde, sondern flogen von Frankfurt über Dubai, Sydney nach Auckland. Ein besonders glücklicher Umstand dabei: den längsten Teil des Fluges absolvierten wir im Superjumbo A380 der Emirates Airline.

Auckland – Übernahme und Taufe des Camper-Van
Trotz allem erdenklichen Komfort und Service war es „fünf vor schrecklich“ als wir den Flieger in Auckland endlich verlassen konnten. Die Airline hatte uns offenbar eine Begleitung mit an die Hand gegeben. Eine sehr unangenehme Person und obendrein mit einem komischen Namen: Jetlag. Überall wo wir hingingen, mischte sich dieser Kerl ein und sorgte für Verwirrung. Thank goodness, nach einigen Tagen konnten wir den ungeliebten Schatten abschütteln.
Abgeholt vom Airport stellte uns der  Auto-Vermieter unseren VW-Camper vor. Nach der recht übersichtlichen Einweisung tauften wir ihn auf den Namen Herbert. Der lange Herbert (knapp 7 m) ist ein gutmütiger Diesel, der unbedingt links bedient werden will.  Die ersten 10 km waren schon gewöhnungsbedürftig, alles auf der anderen Seite – wie das Land eben  auch. Links zu fahren ist anfangs schon komisch, man denkt irgendwann stößt man mit irgendwem zusammen. Es dauerte jedoch nur kurze Zeit -  Herbert und ich wurden Freunde.
Als wir des späten Abends eine Bleibe suchten, landeten wir auf einem Parkplatz in Manukau. Ein Camper-Verbotsschild war nirgends zu erblicken, also dachten wir: feine Sache, da kann man doch gleich in der ersten Nacht ein paar Dollars sparen. Als wir das Gelände nochmals checkten, erblickten wir eine junge Frau auf einem Stuhl mitten auf dem Parkplatz sitzend. Ungewöhnlich, dachten wir. Ich sprach sie an und fragte, ob man sich hier für die Nacht einrichten könnte. Ihre spontane Antwort war: „The place is not save“.  Also sahen wir uns woanders um und fanden einen anderen Parkplatz...

Coromandel Peninsula –  Naturschönheiten auf einer Halbinsel

Den Kiwis sagt man eine gewisse Portion Humor nach. Dass das der Wahrheit entspricht, konnten wir auf dem Weg von Auckland nach Coromandel am eigenen Leibe erleben. Die steile und teilweise sehr enge, aber eindrucksvolle Küstenstraße verlangt dem Camper-Van-Fahrer schon einiges ab, noch dazu auf der ungewohnten linken Seite. Da stellen doch diese Spaßvögel  tatsächlich Geschwindigkeitsbeschränkungen von 100km/h auf und das sogar vor Kurven. Man will es einfach nicht glauben. Zu ihrer Entlastung sei gesagt, direkt an der Kurve gibt es eine Richtgeschwindigkeitsangabe, mit der man sicher die Problemzone durchfahren kann. Dennoch in Schilder-Germany wäre das wohl unvorstellbar.
Der Höhepunkt dieses Tages war die Fahrt mit der „Driving Creek Railway“. Da hatte doch ein Kiwi namens Barry Brickell eine Vision und wollte eigentlich für seine Töpferei ein Transportmittel schaffen. Und im Laufe der Jahre wurde daraus eine Schmalspur-Schienenstrecke von 3 km Länge, die längst zur Attraktion avancierte. Die vielen Besucher fahren in hübschen Mini-Waggons durch den dichten Regenwald und sind fasziniert von den mit Ton-Skulpturen geschmückten Tunnels und Stationen. Natürlich holpern sie auch über Holzbrücken, die von weitem aus betrachtet eher eine waghalsige Konstruktion vermuten lassen. Sogar an eine Spirale wurde gedacht. Oben angekommen haben sie einen herrlichen Ausblick über den bizarren Regenwald und die nähere Umgebung. Für uns ein Erlebnis der unvergesslichen Art. Übrigens habe ich die Railway-Tour bereits von Deutschland per e-mail geordert – in der Hochsaison empfehlenswert.

Hahei und Hot Water Beach – filmreifes Bühnenbild zum einen und ein Strand mit Fußbodenheizung zum anderen

Wer diese Natur-Highlights genießen möchte, sollte eines unbedingt beachten: die Gezeiten.  Wir sind etwa  drei Stunden vor der Ebbe – wir hatten die Tide aus dem Internet gezogen –  vom Parkplatz des kleinen Badeortes Hahei den wunderschönen Weg (45 Min.) zur Cathedral Cove gegangen. Unten am feinkörnigen weißen Strand angekommen fällt einem die Kinnlade förmlich nach unten, so fasziniert das Bild. Eine Öffnung im Fels ähnlich einer gotischen Kirche lässt den Blick zu einem zweiten Strand schweifen, an dem ein freistehender großer Kalksandsteinfels aus dem Wasser ragt.
Umgeben von türkis blauem Wasser verleidet er jeden Besucher sein Objektiv zu zücken. Grandios.  Das Schwimmen vor dieser Kulisse macht einfach doppelt so viel Spaß und man fühlt sich in die Südsee versetzt.
Keine  8 km fährt man vom Parkplatz in Hahei zum Hot Water Beach. Hier graben die Leute mit ausgeliehenen kleinen Spaten flache Kuhlen in den Sandstrand und heißes Thermal-Wasser strömt von unten hinein – einfacher gesagt: man suhlt sich in einer Naturbadewanne und kann die Temperatur mit Ozean-Wasser plus heißer Quelle regeln. Für uns kein Angebot, denn bei 28°C Außentemperatur zogen wir einen Sprung in den Pazifik, der hier mit echten Wellenkrachern daher kommt, vor.

Waitomo Caves – Romantik pur
Einen der fantastischsten Augenblicke unserer Reise erlebten wir während der Spellbound-Tour in Waitomo. Leute haltet euch fest. In einem von einem Guide per Seil gezogenen Boot durchquerten wir eine Höhle. Anfangs war es stockdunkel, doch plötzlich, als hätte jemand den Lichtschalter betätigt, ging über uns die Milchstraße am Firmament auf. Millionen von Glühwürmchen hingen an den Felsendecken und strahlten wie Sterne auf uns nieder. Fantastisch, Du glaubst, in deinem eigenen Traum mitzuspielen. Männer, wenn ihr eure Angebetete überreden wollt, euch für immer im Leben zu begleiten, dann geht nach New Zealand in die Glowworm Caves und macht ihr dort unter dem funkelnden Sternenhimmel euren Antrag. Ihr könnt gewiss sein, sie liegt euch für immer in den Armen, so hat sie die Romantik in ihren Bann gezogen.
Spaß beiseite, der normale Reisende fragt sich, wie geht das hier eigentlich alles und denkt vielleicht an unsere Glühwürmchen in lauen Sommernächten. Diese schwirren leuchtend mit dem Ziel einen Partner zu finden, während jene ca. 9 Monate fixiert für ihr Futter (Insekten) strahlen. Dort spielt also der Sex die tragende Rolle, hier der Hunger. Je mehr sie Knast schieben, umso stärker ihre Leuchtkraft. Die Insekten, die immer zum Licht streben, verfangen sich letztendlich in der Milkyway in einem Gewirr von langen klebrigen Fäden. Der Hobbyfotograf hat da ein Problem, denn Licht vermindert schlagartig ihre Leuchtkraft und versetzt die mundlosen Glowworms in Stress. Also unbedingt Blitz aus!
Den Abend am Nationalfeiertag Neuseelands (6.2.11) ließen wir natürlich romantisch in einem Restaurant bei Lamb und neuseeländischem Wein ausklingen.

Rotorua – das alte Empire lasst grüßen

Eigentlich stach uns dieser Ort nicht unbedingt ins Auge, hat er doch zwei Gesichter. Das Eine –  eher ein gesichtsloses Zentrum mit den vielen Ladenstraßen wird nach Einkaufsschluss menschenleer. Man klappt sozusagen die Bordsteinkanten hoch. Das Andere liegt etwas abseits des Zentrums und erinnert an die Kolonialzeit: Gouvernment Garden. Mit den Rotoruas Tudor Towers als Blickfang weist der Ort auf den einstigen Kurbetrieb im noblen Kolonialstil hin. Innen fühlt man sich ins Jahr 1911 zurück versetzt. Man kann nur sagen: elegant und nobel. Jetzt ist dort ein Museum untergebracht. Man offeriert unter anderem  Maori-Artikel, aber die Preise dafür sind wahrlich gepfeffert. Das scheint auf das Toilettenpapier in den öffentlichen Bedürfnisanstalten Neuseelands nicht zu zutreffen, denn das ist dünner als Blattgold.

Wai-O-Tapu Termal Wonderland – It’s smelly!

Heute erwachten wir an einem idyllischen See gegenüber dem sagenumwogenen Mt. Terawera, der 1886 richtig Ärger machte, explodierte  und die Landschaft nachhaltig veränderte. Im Moment scheint er zu schlafen, auch wir genießen die Ruhe am Lake.
Was haben die ehemalige DDR und Neuseeland gemeinsam? – In einigen Teilen beider Länder stinkt es gewaltig. War im Osten Deutschlands der Gestank industrielles Programm der SED-Genossen, so ist dieses jüngste  Geothermalgebiet  mit dem Ausbruch des Mt. Tarawera naturellen Ursprungs. Das Wai-O-Taupu Thermal Wonderland – wohl das am meisten besuchte –  strahlt förmlich in vielen Farben. Das Gebiet ist übersät mit kollabierten Kratern, heißen und kalten Seen sowie dampfenden Erdspalten. Der bekannteste und größte Teich trägt den Namen eines französischen Nobelgetränks. Kohlendioxid sorgt bei einer Temperatur von 74°C für aufsteigende Perlen. Das mineralhaltige Wasser des Champagne Pools enthält Gold, Silber, Arsen, Quecksilber, Schwefel und Antimon. Die Farben sind überwältigend und uns irgendwie nicht alltäglich. Das gilt auch für die Vögel im Thermalgebiet, die nicht wie bei uns zu Hause den ganzen Tag auf ihren  Eiern rumsitzen –  nein, sie lassen brüten.
Außerhalb des eigentlichen Wonderlands liegt ein Geysir, der eine direkte Verbindung zur Atomuhr haben muss, denn pünktlich 10:15 Uhr eines jeden Tages spuckt er eine Fontäne von ca. 20 m in die Luft.  Lady Knox, wohl mittlerweile in die Jahre gekommen, braucht dazu allerdings ein Hilfsmittel, um die vielen Besucher glücklich zu machen: eine Packung Seifenpulver…

Lake Taupo – ein Paradies für Angler

Den größten Binnensee Neuseelands haben wir vor Augen, als wir nördlich in Taupo einfahren. Das Wetter zeigt sich von seiner besten Seite und wir genießen den Anblick. Golf und vor allem das Angeln auf Forellen sind hier populär. Ich kaufte mir eine Tageslizenz und wollte die schmackhaften Trouts (Forellen) auf ihre Schuppen legen. Pustekuchen. Offenbar hatte ich runde Haken angeknüpft. Keine einzige ließ sich zu einem Landspaziergang überreden. Dabei steht in keinem Restaurant Forelle auf der Speisekarte, denn gewerbliches Fischen ist hier nicht erlaubt. Eigentlich ein Paradies für Angler. Da kann ich nur Konfuzius zustimmen, der da sagte: “ Der Mensch hat dreierlei Wege, klug zu handeln: erstens durch Nachdenken, das ist der edelste, zweitens durch Nachahmen, das ist der leichteste und drittens durch Erfahrung, das ist der bitterste.“ Ja, es ist bitter, denn Angeln in den norwegischen Fjorden ist offenbar eine völlig andere Geschichte… Also freute ich mich über Chicken mit Reis, denn Regine hatte offenbar mit meinem Misserfolg gerechnet.

Tongariro National Park – Skyline Walk
Heute stand der erste National Park Neuseelands, der Tongariro NP  – oder für die Fans von ‚Herr der Ringe‘ als das düstere Reich Mordor bekannt – auf dem Programm. Im NP findet der weltweit bekannte Tongariro Crossing statt. Wir waren spät dran und eher nicht fit genug, um uns hier einzuschreiben, deshalb  entschieden wir uns für die Skyline Rute. Auch anstrengend, dafür wird man oben (ca. 2600m) mit einem überwältigenden Blick belohnt.
Trotz der anstrengenden Tour fuhren wir noch bis Wanganui (Westcoast) weiter und fanden direkt am Meer auf einer Düne einen kostenlosen Stellplatz. Herbert kurzerhand geparkt, Handbremse angezogen und dann „Gute Nacht“. Mensch Meier, sind wir platt gewesen.

Wellington – die quirlige Hauptstadt Neuseelands

Die Sonne schien Herbert ins Gesicht als wir unsere Augen öffneten und direkt auf den Ozean blickten. Die ersten Surfer zogen in Richtung Brandung und wir ließen den Tag ruhig angehen und spazierten an der Tasman Sea entlang. Man muss auch mal die Seele baumeln lassen, denn rund 200 km täglich Herbert zu steuern, zehrte schon an den Kräften.
Überrascht waren wir von Wellington. Wunderschön gelegen, die Innenstadt so konzentriert wie meine Heimatstadt und absolut quirlig. Künstler und die Jugend geben der Hauptstadt ein Flair zum Verlieben. Moderne und Romantik treffen hier aufeinander. Wir trafen am Abend – Herbert wollte unbedingt wieder direkt an den Strand, diesmal die Skyline beobachten –  Marie, eine Studentin aus Sachsen. Sie legt ein Break zwischen Bauchler und Master für acht Monate ein und bediente uns in „Fishermann’s Table“.  Sie empfahl uns Tarakihi-Fisch und traf damit ins Schwarze.
Wenn wir früher diese Möglichkeiten gehabt hätten, wir wären auch ins  Ausland gegangen. Leider konnten wir nur davon träumen – die Realität war die Mauer… 
Wer die Stadt von oben sehen will, sollte die Kabelbahn nutzen. Man hat dann eine grandiose Rundumsicht und sieht eine hypermoderne, etwas exzentrische Stadt zwischen den Bergen und dem Meer.


Dieser Beitrage wurde uns von Roland Bischof (www.rolandbischof.de) gesendet.

Zum zweiten Teil - Neuseeland: Paradies am anderen Ende der Welt - Teil 2 Suedinsel 2011 - gehts hier.